"Es gibt noch viel voneinander zu lernen"

Bericht vom christlich-jüdischen Dialogwochenende

Die Teilnehmenden beim sportlichen Kennenlernen.
Foto: Jessica Brauner.

In der Hauptstadtmetropole Berlin entstand vom 16. bis 18. Februar 2024 ein einzigartiger Raum für Begegnung und Bildung.

Auf dem interreligiösen Wochenende „#miteinander lernen: zuhören, austauschen und begegnen“ nahmen Mitglieder des DJK Sportverbands, der DJK Sportjugend, Makkabi Deutschland und des CVJM Deutschland am christlich-jüdischen Dialog teil, um Brücken der Verständigung in einer Zeit zu stärken, in der interreligiöser Austausch eine immer wichtigere Rolle spielt.

Freitag: Basis für zwischenmenschliches Verständnis und kulturellen Austausch

Am Freitag fand in der Synagoge nahe des Berliner Alexanderplatzes eine gemeinschaftliche Schabbat-Feier statt, die mit einem anschließenden Kiddusch, einem gemeinsamen Abendessen, zusammengeführt wurde. Die Veranstaltung diente dem Kennenlernen jüdischer Glaubensbräuche und Traditionen, um eine Basis für zwischenmenschliches Verständnis und kulturellen Austausch zu schaffen.

Zum Einstieg ins Thema erörterten Jürgen Funke vom DJK Sportverband und Keren Vogler von Makkabi Deutschland die Geschichte ihrer jeweiligen Verbände. Während Funke den Fokus stark auf die Entstehung der DJK, die NS-Zeit und die Wiederkehr des Sportbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg legte, präsentierte Vogler einen Überblick über die Anfänge von Makkabi und legte den Fokus auf den Verband in der heutigen Zeit.

Der Schabbat selbst brachte eine besondere Erfahrung mit sich: Frauen und Männer waren während der Zeremonie getrennt, was als eher unübliche Praxis erklärt wurde. Dies diente dazu, einerseits Ablenkungen zu vermeiden, aber andererseits dem Ausdruck der Wertschätzung für Frauen im Judentum Rechnung zu tragen, die, im Gegensatz zu den Männern, nicht verpflichtet sind zu beten. Interessanterweise wurden die Frauen beim gemeinsamen Essen, dem Kiddusch, von den Männern bedient.

Rebecca Koschny vom Bundesvorstand der DJK Sportjugend empfand die Gespräche beim Essen als wertvoll: „Man konnte sich wunderbar austauschen und vernetzen. […] Es wurde auch sehr deutlich, dass der gemeinsame Schabbat und Kiddusch als Knotenpunkt dient, sich in der jüdischen Gemeinde zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen.“

Ohne die Ablenkung durch Smartphones entwickelten sich während des Kiddusch lebhafte und bereichernde Gespräche. Besonders beeindruckend waren die Erzählungen von Jessica Brauner, Mitglied von Makkabi Berlin, die ihre persönlichen Erfahrungen als Jüdin in der Hauptstadt teilte. Es entstand eine Atmosphäre des intensiven Austausches und spontanen Vernetzens. So wurden sowohl das Ritual des Schabbats als auch dessen soziale Bedeutung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft weiter erklärt.

Auf dem Podium sprachen miteinander (v.l.n.r.): Robby Raijber von Makkabi München, Diana Hoge von Berlin Thunder, Keren Vogler (Moderation), Eren Güvercin, Journalist und Autor, Ben Salomo, Musiker und Aktivist.
Foto: Jessica Brauner.

Samstag: Spaziergang, Sporteinheiten und Podiumsdiskussion

Am Samstag standen ein Spaziergang durch das Zentrum Berlins, eine Sporteinheit mit Krav Maga und Floorball sowie eine Podiumsdiskussion auf dem Programm. Der Spaziergang machte die Vielfalt des jüdischen Lebens in Berlin und die Gefahr des Vergessens sichtbar, indem Denkmäler wie die Tiergartenstraße 4 und die Verdienste von Persönlichkeiten wie James Simon beleuchtet wurden. Der Sport förderte das gegenseitige Kennenlernen und den Dialog beim Krav Maga und Floorball

Die Podiumsdiskussion am Abend war eine konstruktive Auseinandersetzung über das Zusammenleben verschiedener Glaubensgemeinschaften und die integrative Kraft des Sports. Eren Güvercin, Journalist und Autor, erörterte die Rolle liberaler Muslime und präsentierte die Arbeit seines Vereins Alhambra-Gesellschaft. Ben Salomo, Musiker und Aktivist, beleuchtete die jüdische Perspektive und berichtete von den Herausforderungen im Kontext des wachsenden Antisemitismus in Deutschland. Diana Hoge von Berlin Thunder sprach über die integrative Kraft des Sports, insbesondere im Football. Robby Raijber von Makkabi München reflektierte über die Rolle der Ortsvereine bei der Förderung der Integration durch Sport. Diese facettenreiche Diskussion zeigte auf, wie Sport als Brücke zwischen Kulturen und Gemeinschaften dienen kann.

Impressionen von der gemeinsamen Abschlussrunde.
Foto: Jessica Brauner.

Sonntag: Abschlussrunde

Bei der Abschlussrunde am Sonntag wurden die anstehende Themen wie Antisemitismus, unbewusste Diskriminierung und die Einbindung der muslimischen Glaubensgemeinschaft diskutiert. Die Runde im Sitzkreis ermutigte dazu, über die Ereignisse des Wochenendes nachzudenken und zu überlegen, welchen Einfluss sie auf den künftigen Einsatz für den interreligiösen Dialog und die Prävention von Gewalt gegen jüdische Mitmenschen haben können.

Als Resümee des Wochenendes wurde deutlich, dass weitere Veranstaltungen dieser Art notwendig sind, um gegenseitiges Verständnis und Respekt zwischen den unterschiedlichen Gemeinschaften zu fördern.

Victor Lam.
Foto: Jessica Brauner.

"In Deutschland werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft bzw. ihres Glaubens ausgegrenzt, angegriffen oder Schlimmeres angetan.
Das macht mich selbst traurig und wütend.
Das Rassismus/Antisemitismus in Deutschland existiert, war mir klar, aber dass sich ein Teil unserer Gesellschaft so verstecken und zurückziehen muss, damit sie leben können, ist für mich neu und erschreckend.
In dieser Realität leben wir und damit muss ich erst einmal klarkommen.“
Victor Lam, Bundesvorstand DJK Sportjugend

 

Victor Lam vom Bundesvorstand der DJK Sportjugend zeigte sich am Ende des Wochenendes bewegt bezüglich der Isolation und des Misstrauens, mit denen jüdische Bürgerinnen und Bürger in Deutschland leben müssen: In Deutschland werden Menschen aufgrund ihrer Herkunft bzw. ihres Glaubens ausgegrenzt, angegriffen oder Schlimmeres angetan. Das macht mich selbst traurig und wütend. Das Rassismus/Antisemitismus in Deutschland existiert, war mir klar, aber dass sich ein Teil unserer Gesellschaft so verstecken und zurückziehen muss, damit sie leben können, ist für mich neu und erschreckend. In dieser Realität leben wir und damit muss ich erst einmal klarkommen.“